Die Psychologie des Überlebens

Die technische Ausrüstung zum Leben in der Wildnis ist heute von hoher Qualität und bestens auf die Bedürfnisse der Nutzer angepasst. Expeditionen scheitern nicht mehr an unzureichender Ausrüstung, sondern an psychischer Belastung und Konflikten unter den Teilnehmern. Bei der Bundeswehr kommen jährlich weit mehr Menschen durch Suizid ums Leben als durch ihre eigentliche Mission. 

Die praktische Ausbildung in den verschiedenen Wildnis-Disziplinen hat mittlerweile an Professionalität gewonnen. Dabei wird ein hohes Maß an praktischen Fertigkeiten vermittelt. Was dabei jedoch oft zu kurz kommt ist die psychische Ebene potentiell bedrohlicher Situationen, das Gelernte korrekt unter hohem Druck auch anzuwenden. Diese Ebene gilt es vermehrt in das Training mit einzubeziehen, um kritische Ereignisse zu meistern, keine schädlichen Folgen davon zu tragen und im besten Fall noch daran zu wachsen.

Wie auf körperlicher Ebene haben wir auch auf psychischer Ebene ein inneres Gleichgewicht bei dem wir uns wohl und leistungsfähig fühlen. Dessen Stabilität wird beeinflusst durch biologische, psychologische, soziale und kulturelle Faktoren. Um unser seelisches Gleichgewicht in Extremsituationen zu stabilisieren und damit innere Stärke zu gewinnen, hilft die Survival Psychologie. Dabei gibt es in der Wahrnehmung unserer sinnlichen Wirklichkeit keine Trennung zwischen dem Körperlichen und Seelischen. Es ist immer ein psychosomatisches Erleben.

Urstressoren wie Hunger, Durst, Kälte, Hitze, Sauerstoff- und Schlafmangel können unser Gleichgewicht bedrohen. Durch entsprechendes Training erhöhen wir unsere Kapazität für diese Einflüsse, sodass das innere Gleichgewicht besser abgepuffert wird. Stresserleben entsteht nicht nur durch den eigentlichen Reiz von außen, sondern auch ganz wesentlich als Folge der Verarbeitung unserer Wahrnehmung dieses Reizes.

„Es sind nicht die Dinge, die uns beunruhigen, sondern unsere Sicht auf die Dinge.“ (Epiktet, um 100 n. Chr.)

Auf eine Bedrohung des psychischen Gleichgewichtes reagieren wir immer auf vier Ebenen:

  • Kognitiv: Was denke ich?
  • Emotional: Was fühle ich?
  • Körperlich: Was passiert in meinem Körper?
  • Verhalten: Wie verhalte ich mich?

Mit zunehmender Herzfrequenz unter Stress nimmt unsere Leistungsfähigkeit und damit Überlebensfähigkeit ab. Zuerst fällt die Feinmotorik aus, dann komplexe motorische Fähigkeiten, die Nachtsichtfähigkeit nimmt ab, es entsteht ein Tunnelblick, unser Verhalten wird zunehmend unterwürfig, impulsiv und desorganisiert, kognitive Prozesse verschlechtern sich. Dies wird „Survival Stress Reaction“ genannt. Wir fallen in frühere Entwicklungsstufen von uns selbst zurück und reifes Handeln ist nicht mehr möglich. Unser Geist benutzt nur noch die gewohnten Wege im Gehirn. Das spiegelt sich auch im Verhalten wider: So nutzen viele Menschen bei einem Brand nicht den kürzesten Notausgang, sondern verlassen das Gebäude auf dem Weg, auf dem sie auch reingekommen sind, da sie diesen Weg kennen.

Jeder Mensch reagiert anders auf scheinbare Bedrohungen. Das hat damit zu tun, wie unsere Psyche strukturiert ist. Und das ergibt sich aus unseren Anlagen und Lebenserfahrungen. Je besser wir unser individuelles Reaktionsmuster kennen, umso größer ist die Überlebenschance. In machen Aspekten reagieren wir viel besser als erwartet, in anderen jedoch auch viel schlechter. Auch spielt das Wissen um äußere Faktoren, die einen Einfluss auf unsere psychologische Überlebenskompetenzen haben, eine große Rolle. Beispielsweise nimmt unter Sauerstoffmangel beim Höhenbergsteigen die Bereitschaft zu risikoreichem Verhalten zu.

Je besser wir uns kennen, desto größer wird das Vertrauen in uns selbst, Herausforderungen proaktiv zu bewältigen und nicht passiv Opfer zu sein. Daraus ergeben sich Selbstwirksamkeitserfahrungen die das Selbstwertgefühl steigern. Es reicht nicht, auf Retter von außen zu warten. Wir sind es selbst, die uns und unseren Liebsten helfen können. In vielen Fällen kann es zu spät sein, bis uns andere zur Hilfe kommen.

Durch gutes survival-psychologisches Training lernen wir unsere Reaktionsmuster kennen, können diese verbessern, entwickeln eine gelassene Wachsamkeit, können unter Druck bessere Entscheidungen treffen, ein Gefahrenradar entwickeln, besser mit Stress umgehen und dadurch leistungsfähiger werden sowie aktiv zwischen Anspannung und Entspannung wechseln. Wir lernen einen zielorientierten Umgang mit unseren Mitmenschen unter Extrembelastungen. Dies ist einfach, aber nicht leicht. Es braucht Geduld und Entschlossenheit sich an diesen Punkten weiterzuentwickeln. Diese Kompetenzen sind nicht nur auf Überlebenssituationen beschränkt, sondern erhöhen auch unser seelisches Wohlbefinden im Alltag.

Extremerfahrungen müssen für langfristige seelische Gesundheit gut integriert werden, da sich sonst eine Traumafolgestörung wie eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS), Depression oder Persönlichkeitsstörung entwickeln kann. Auch dieser Aspekt spielt für die Überlebenspsychologie eine entscheidende Rolle.

Das Geniale an Survival Psychologie ist, dass es jederzeit und überall angewendet und trainiert werden kann. Dazu ist keine Erlaubnis vom Förster nötig.

Hier geht’s zu meinem Kurs Die Psychologie des Überlebens.

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